Kurzer Überblick über das Leben und Wirken Friedrich Flicks

Friedrich Flick wurde am 10. Juli 1883 in Erndorf (heute zugehörig zu Kreuztal im Siegerland) geboren. Flick? Einer von uns, einer, der es geschafft hat, der es, aus bäuerlichen Verhältnissen stammend, mit den mächtigen Stahlbossen wie Krupp oder Thyssen aufgenommen hat: Geboren als Sohn eines Bauern und Grubenholzhändlers brachte er es zum reichsten Deutschen. So die erste und häufige Verklärung der Flickschen Biografie. Richtig ist, dass Flick keiner Siegerländer Familiendynastie entstammte, aber dennoch aus einer Familie kam, die mit ihren Ressourcen den Grundstein für seine Karriere legen konnte (vgl. Priemel 2007, 49).

Flicks steile Karriere in Kaiserreich und Weimarer Republik

Friedrich Flick besuchte das Realgymnasium in Siegen (heute: Gymnasium am Löhrtor), absolvierte eine Lehre zum Kaufmann bei der Bremerhütte in Siegen-Weidenau, trat seinen Wehrdienst an und begann schließlich ein Studium an der Handelshochschule Köln. Dort war er einer der ersten Studenten, die nicht nur ein Betriebswirtschaftsstudium, sondern auch ein Studium der Volkswirtschaft absolvierten.

Seine Karriere begann Flick im Kaiserreich mit seiner ersten Anstellung als Diplom Kaufmann in der Bremerhütte. Schnell strebte er danach sein eigener Chef zu sein und so schaffte er es durch Fleiß, Geschick und Tricksereien vom angestellten Manager zum Magnaten aufzusteigen. Flick profitierte von der boomenden Nachfrage nach Eisen als Rohstoff der Rüstungsindustrie im ersten Weltkrieg, der Krieg machte ihn zum reichsten Deutschen. Und auch die Inflation in der Weimarer Republik überstand er als Gewinner. Sein Erfolg kam nicht von ungefähr. Flick verstand es Kontakte in die Politik und Ministerien zu pflegen, auch mit Geld. Flick, Mitglied der Deutschen Volkspartei, spendete Geld an nahezu alle politischen Parteien, das Spektrum reichte dabei von SPD bis NSDAP. Besonders bedacht wurden die amtierenden oder wahrscheinlichen Regierungsparteien: Zentrum, Staatspartei und DNVP erhielten allein in der zweiten Jahreshälfte 1932 mehr als eine Dreiviertelmillion Reichsmark.
So gelang es Flick lohnende Anlageobjekte zu seinen Gunsten zu nutzen. Gewinne strich er für seine Unternehmen und sich ein, Verluste wusste er mit geschickten Deals zu sozialisieren und der öffentlichen Hand – sprich dem Steuerzahler – aufzudrücken: „Die fällige Sanierung überließ er der öffentlichen Hand, die er selbst durch die Kreditbeschaffung zuvor involviert hatte. Flick erkannte und nutzte Zwangslangen anderer – zu seinen eigenen machte er sie nicht“ (Priemel 2007, 178; siehe auch: "Gelsenberg-Affäre" (Wikipedia)). Schon vor der Machtergreifung der Nazis bewies sich Flick als machtbewusst und äußerst geschickt, seine Geschäftspraktiken waren geprägt von einem Gewinnstreben ohne Rücksicht auf das Allgemeinwohl. Flick auch vor dem „Dritten Reich“ alles andere als ein Vorbild.

Adolf Hitler und Hermann Göring - Flick spendete Hitlers NSDAP ab 1933 jährlich hundertausende Reichsmark, bei Göring war Flick "Persona grata" und stets Gast auf dessen prunkvollen Geburtstagen
Adolf Hitler und Hermann Göring - Flick spendete Hitlers NSDAP ab 1933 jährlich hundertausende Reichsmark, bei Göring war Flick "Persona grata" und stets Gast auf dessen prunkvollen Geburtstagen

Flick im „Dritten Reich“

Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 konzentrierte sich die Spendenbereitschaft Flicks auf die NSDAP, die jährlich rund 100.000 Reichsmark bekam. Nach der der vierjährigen Eintrittssperre trat Friedrich Flick am 1.5.1937 der 1937 der NSDAP bei. Im Jahr 1934/35 wurde Flick Mitglied des Freundeskreis-Reichsführer-SS (siehe z. B. "Freundeskreis Reichsführer-SS" (Wikipedia)) ein Zusammenschluss aus rund 40 Großindustriellen des Reiches, die die NSDAP in Wirtschaftsfragen beraten sollte und immer wieder auch Geld spendete. Der Freundeskreis besuchte 1936 das Konzentrationslager Dachau und 1939 das KZ Sachsenhausen, dabei soll die Gesamtwirkung von Dachau auf Flick durchaus positiv gewesen sein (siehe: DER SPIEGEL Nr. 42/1965: Treue im Chor).

Friedrich Flick war einer der größten Profiteure des Rüstungsbooms unter den Nationalsozialisten und der anschließenden Kriegskonjunktur. Flick hatte ein klares Bild über den außenpolitischen Kurs der Nazis. Bereits 1933 sprach er vom „A-Fall“, ein Synonym für Krieg. Die Leistungsfähigkeit seiner Firmen pries er an, um möglichst viele Rüstungsaufträge zu bekommen. Und die bekam er auch: Am 15. März 1934 besuchte Flick den Stabschef des Herreswaffenamtes und erhielt die vertrauliche Information, dass Hitler einen Krieg plane und man genügend Vorräte an Waffen und Munition benötige. Mit seiner zentralen Funktion in er deutschen Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie wurde er 1937 zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Seine offizielle Funktion lautete „Verantwortlicher Mitarbeiter der Wehrmacht bei der Vorbereitung und Durchführung der Mobilmachung und bei deren Leitung im Kriege“. „Das Reich“ die von Goebbels herausgegebene Wochenzeitung stellte fest: „Niemand hat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsführer mehr verdient als Friedrich Flick“.

Profit mit der „Arisierung“

Mit der „Arisierung“ von jüdischen Betrieben konnte Flick seinen wirtschaftlichen und politischen Einfluss weiter vergrößern. Der Entwurf für die nach den reichsweiten Pogromen im November 1938 vorgesehene Enteignungsvorschrift gegen jüdische Unternehmen wurde in der Spitze des Flick-Konzerns formuliert. Flick unterhielt engste Kontakte zu Herman Göring, was dazu beitrug, dass Flick stärker als mancher seiner Konkurrenten von der Enteignung der jüdischen Minderheit profitierte. Jedoch war er auch stets auf sein Image bedacht und versuchte Enteignungen in der Öffentlichkeit nicht als solche erscheinen zu lassen. Ein Beispiel ist die „Übernahme“ des Julius-Petschek-Konzerns (1938) und des Ignaz-Petschek-Konzerns (1939) mit u. a. einem Drittel der mitteleuropäischen Braunkohlefelder, beide Brüder verkauften ihren Besitzt zu einem Schleuderpreis an Flick nur unter der Erpressung der drohenden Enteignung. Die Drohkulisse hatte Flick in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden selbst aufgebaut. „Die Petschek-»Arisierungen« belegten erneut Wucht, Ausmaß und Bedenkenlosigkeit der Flick’schen Expansion“ (Priemel 2007, 430). Flick erkannte und nutzte die „Chance“ der rassistischen Ausgrenzungspolitik der Nationalsozialisten unter ihrem Führer Adolf Hitler. "Als zeitweiliger Wirtschaftsberater der NS-Regierung und in seiner Funktion als Mitglied wirtschaftlicher Interessenorganisationen war er planerisch aktiv an der Ausbeutung wirtschaftlicher und menschlicher Ressourcen der europäischen Nachbarstaaten und besonders der Sowjetunion beteiligt" (Littmann 1986, 38).

Freitod eines Zwangsarbeiters im Flick-Stahlwerk Gröditz. Flick war über die unmenschliche Situation in seinen Betrieben informiert (vgl. DER SPIEGEL, 23/2008, Seite 96-97; Bild: Stadtarchiv Gröditz)
Freitod eines Zwangsarbeiters im Flick-Stahlwerk Gröditz. Flick war über die unmenschliche Situation in seinen Betrieben informiert (vgl. DER SPIEGEL, 23/2008, Seite 96-97; Bild: Stadtarchiv Gröditz)

KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter im Flick-Konzern

Während des Zweiten Weltkriegs wurden in ausnahmslos allen Produktionsgesellschaften des Flick-Konzerns ausländische Arbeitskräfte, Kriegs- und Strafgefangene, KZ-Häftlinge sowie Juden zur Arbeit gezwungen. „In keinem Unternehmen und fast keinem Werk Flicks stellten ausländische und Zwangsarbeiter weniger als ein Drittel der Belegschaft, in vielen weit über die Hälfte und gelegentlich sogar mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten“ (Priemel 2007, 503). Schätzungen gehen von über 10.000 Opfern aus, die in diesen Jahren mit Unterernährung und brutaler Behandlung zu Tode geschunden wurden. Die Arbeitsbedingungen waren äußerst miserabel, die Behandlung brutal. So mussten Arbeiter in klirrender Kälte halbnackt und barfuss im freien Arbeiten oder ohne Handschuhe, Schutzbrillen oder Sicherheitskleidung mit hochgiftigen Chemikalien umgehen. Diese Arbeitsbedingungen waren Friedrich Flick durchaus bekannt: „Daß die Todesangst der in Riga eingesetzten Juden oder der in Bautzen beschäftigten KZ-Häftlinge diese besonders »fleißig« machte“ (Priemel 2007, 504), teilte Bernahrd Weiss, Generalbevollmächtigter des Flick Konzerns, seinem Neffen Friedrich Flick persönlich in einer Notiz mit. In den Betrieben Flicks wurden Zwangsarbeiter ausgebeutet wie in vielen deutschen Betrieben der damaligen Zeit. All dies fand statt unter dem Ziel einer betriebswirtschaftlich optimalen Unternehmensführung. Die vorhandenen Spielräume die Lebensumstände der Zwangsarbeiter zu verbessern hat Flick nicht genutzt. Flick konnte im Laufe des Zweiten Weltkriegs die Kontrolle über beinahe die gesamte europäische Montanindustrie erlangen und beschäftigte in 132 Gesellschaften rund 120.000 Beschäftigte mit einem Jahresumsatz von 550 Millionen Reichsmark. Sein privates Vermögen wurde auf rund zwei bis drei Milliarden Reichsmark geschätzt.

"Flick war genauestens über den Umfang des ››Sklavenarbeitsprogramms‹‹ informiert, er wußte nicht nur um die völkerrechtswidrigen Rekrutierungsmethoden im besetzten Ausland, sondern forcierte die Verschleppung von Ausländern durch eigene ››Werber‹‹ seines Konzerns. [...] Flick hat den Ausländereinsatz von Anfang an gebilligt, er hat gegen ihm bekannt gewordene Mißhandlungen von Ausländern in seinem Unternehmen wie gegen deren unerträgliche Arbeits- und Lebensverhältnisse nie etwas unternommen" (Littmann 1986, 38).

Die Angeklagten im Flick-Prozess: Bernhard Weiss, Friedrich Flick, Odilo Burkart, Konrad Kaletsch, Otto Steinbrinck, Hermann Terberger (vlnr.) (Quelle: USHMM)
Die Angeklagten im Flick-Prozess: Bernhard Weiss, Friedrich Flick, Odilo Burkart, Konrad Kaletsch, Otto Steinbrinck, Hermann Terberger (vlnr.) (Quelle: USHMM)

Nachkriegszeit – Nürnberger Prozesse

Flick agierte zeitlebens vorausschauend und so begann er sich frühzeitig auf das Kriegsende vorzubereiten. Er sammelte bereits seit 1944 ihn entlastendes Material und vernichtete belastende Akten. Seine Konzernzentrale verlegte er in den letzten Tagen des Krieges von Berlin nach Düsseldorf, in den von den Westalliierten kontrollierten Teil Deutschlands.
Flick war die Nr. 3 auf der Liste der 42 an den NS-Verbrechen schuldigen Industriellen. Im so genannten „Flick-Prozess“ der Nürnberger Nachfolgeprozesse wurde er am 22. Dezember 1947 in folgenden Punkten schuldig gesprochen (siehe auch: "Flick-Prozess" (Wikipedia))
1. Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Zwangsverschleppung und Versklavung von Menschen unter unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen.
2. Plünderung von öffentlichem und Privateigentum, Ausbeutung und anderer Verbrechen gegen das Eigentum: unrechtmäßige Aneignung von Betrieben und Rohstoffen der besetzten Gebiete.
3. Förderung und Begünstigung der verbrecherischen Vorhaben und verbrecherischen Tätigkeit der SS durch weitgehende finanzielle Unterstützung.
Flick wurde mit 7 Jahren Haft äußerst milde bestraft und verbüßte lediglich drei Jahre im Gefängnis. Eine Entschädigung seiner Zwangsarbeiter hat er zeitlebens abgelehnt, seine Schuld und Mitschuld nie eingestanden und sich bei seinen Opfern und ihren Angehörigen nie entschuldigt. Flick, ein Vorbild? Und wenn ja, für was?

Neues System, neues Glück

75 Prozent seines Besitzes verlor er im Lauf der alliierten Besatzung. Flick galt jedoch bald nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis wieder als einer der reichsten Männer Westdeutschlands. Er wurde zum größten Aktionär bei Daimler und hatte Beteiligungen bei der Feldmühle, Dynamit Nobel, Buderus und Krauss-Maffei. 1955 besaß er 100 Firmen mit einem Umsatz von rund 8 Milliarden DM. Sein persönliches Vermögen war zu diesem Zeitpunkt auf 88 Millionen DM angewachsen. Auch in der neuen Bundesrepublik wusste sich Flick mit den Mächtigen zu arrangieren. Seinen jüngsten Sohn Friedrich Karl machte er zu seinem Nachfolger, der den Konzern in Flick’scher Tradition fortführte.
Friedrich Flick erhielt 1963 von Ludwig Erhard das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband. Seine Geburtsstadt Kreuztal machte ihn zum Ehrenbürger und benannte später ein Gymnasium nach ihm, welches er mit Spenden aus fünf seiner Unternehmen über eine Stiftung finanziert hatte. Als er am 20. Juli 1972 in Konstanz starb, hinterließ er seinem Erben einen Konzern mit 330 Unternehmen, rund 300.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von circa 18 Milliarden DM. Flick wurde in seiner Geburtstadt Kreuztal beerdigt.

Flick als Angeklagter in Nürnberg (Quelle: Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 501 KV-Prozesse Generalia Q-3)
Flick als Angeklagter in Nürnberg (Quelle: Staatsarchiv Nürnberg, Rep. 501 KV-Prozesse Generalia Q-3)

Flick ist kein Vorbild

Friedrich Flick hat einen bemerkenswerten und wohl einzigartigen Lebenslauf. Ja, ganz unzweifelhaft hat er etwas geschafft in seinem Leben. Gleich zweimal war er der reichste Mann Deutschlands, er hat sich hochgearbeitet und bemerkenswertes geleistet. All dies mit einer enormen Zielstrebigkeit. Friedrich Flick mag kein glühender Verehrer Hitlers oder der Nazis gewesen sein. Flick war durch und durch „gewinnorientierter Opportunist“ (Mäurer 2008), der in jedem politischen System alles getan hat, was ihm oder seinen Firmen zum Erfolg verhilft. Und so hat er schon vor der Diktatur der Nazis Gewinne für sich eingestrichen und die Verluste die Allgemeinheit zahlen lassen. Im „Dritten Reich“ war er als einer der reichsten Männer Deutschlands, auch einer der (wirtschaftlich) mächtigsten Deutschen. Den Nazis hat er nicht auch nur den kleinsten Stein in den Weg gelegt, sondern sie im Gegenteil unterstützt. Die Zwangsarbeiter in seinem Konzern wurden von ihm genauso schlecht behandelt wie überall im Reich oder noch schlechter, so gibt es auch Berichte, in denen sich sogar Regierungsstellen über die Zustände der Zwangsarbeiter im Flick Konzern beklagten. Flick hat sich mit seinem Opportunismus schuldig gemacht, dafür wurde er verurteilt. Für seine Taten hat er nie eine finanzielle Entschädigung gezahlt oder sie gar eingestanden und sich entschuldigt. Gewinnorientierte Opportunisten gibt es genug, sei gefährden eine demokratische Zivilgesellschaft, dies hat Flick bewiesen. Gewinnorientierte Opportunisten gehören nicht geehrt, sie taugen nicht als Vorbild für unsere Kinder und Enkel. Flick ist kein Vorbild.